COPE
Hätte nicht sein sollen
von Nadire Y. Biskin

Ich sitze hier und schaue mir dein allerwertestes Stück an
Ich kritisiere dein Theater
Verletzende Worte, mit denen du Freiheit ausbuchstabierst

Ich hätte nicht sein sollen
In diesem Raum
sitz-end
denk-end

mit-teilend

Du hättest nicht sein müssen
In diesem Raum
Erst dann, aber auch nur dann
Werde ich sein statt sollen

Ich sitze hier und antworte dir
In diesem Waggon nehme ich viel Raum ein

Ich besonders viel durch mein Fischfleisch auf
Dabei soll ich fallen statt viel von mir zu geben

Ich hätte nicht sein sollen
Mit diesem Volumen
beanspruch-end
einnehm-end
amüsier-end

Du hättest nicht sein müssen
Mir meine Stimme mit deiner Gabel raubend
Erst dann, aber auch nur dann
Werde ich sein statt sollen

Ich sitze hier und schreibe »Ich bin von Kindern.«
Mein los: Ich bemängle dein kinderlos wie arbeitslos
Freiheit verlangt nach Wahl

Ich hätte nicht sein sollen
Leben
führ-end
ablehn-end
bestimm-end

Du hättest nicht sein müssen
Mein Geschlecht von Haupt und Haar bis zu den Spitzen definierend
Erst dann, aber auch nur dann
Werde ich sein statt sollen
Ich hätte nicht schreiben
Sondern schweigend schreien sollen

Doch jetzt doch schreibe doch ich doch
Doch du doch liest


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Nadire Y. Biskin

wurde 1987 in Berlin-Wedding geboren. Sie hat Philosophie, Ethik und Spanisch studiert und mehrere Jahre zu Sprachbildung und Mehrsprachigkeit geforscht, heute arbeitet sie als Lehrerin. Sie schreibt Prosa, Lyrik und journalistische Texte, etwa für fluter, neues deutschland und spiegel online. Ihr erster Roman ein spiegel für mein gegenüber erscheint im Januar 2022 bei dtv.

@nadire.biskin65
@tochtersatire



Nadire Y. Biskin

wurde 1987 in Berlin-Wedding geboren. Sie hat Philosophie, Ethik und Spanisch studiert und mehrere Jahre zu Sprachbildung und Mehrsprachigkeit geforscht, heute arbeitet sie als Lehrerin. Sie schreibt Prosa, Lyrik und journalistische Texte, etwa für fluter, neues deutschland und spiegel online. Ihr erster Roman ein spiegel für mein gegenüber erscheint im Januar 2022 bei dtv.

@nadire.biskin65
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Ähnlich verhält es sich mit der Repräsentation von Erfahrungen in jenen Texten, die in ›der‹ europäischen Literaturgeschichte kanonisiert sind. All jene, die als ›typische‹ dargestellt, als ›allgemeine‹ vermittelt werden, sind, wenn Komplexität nicht zugunsten eines kristallinen, aus den Unübersichtlichkeiten des Lebens herausgeschälten Wahrheitsanspruches ausgeblendet wird, tatsächlich als höchst spezielle zu betrachten.

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